Quantenforschung - Künstliche Intelligenz - Forschung und Entwicklung

Künstliche Intelligenz lernt Quantenteilchen zu kontrollieren

In der Quantenforschung braucht man maßgeschneiderte elektromagnetische Felder, um Teilchen präzise zu kontrollieren. An der TU Wien zeigte man: maschinelles Lernen lässt sich dafür hervorragend nutzen.

Mit elektromagnetischen Feldern lassen sich winzige Teilchen manipulieren: Man kann sie einfangen, festhalten, oder an einen bestimmten Ort bewegen. Welche Form diese elektromagnetischen Felder aber genau haben sollen, und wie man sie während des Experiments dann konkret steuern muss, ist schwer herauszufinden. Oft sind dafür langwierige Versuchsreihen mit zahlreichen Messungen notwendig.

An der TU Wien konnte man nun aber zeigen, dass sich diese Aufgabe mit Hilfe von lernenden Algorithmen viel schneller erledigen lässt als bisher – und zwar mit derselben Präzision. Dafür entwickelte ein Team der TU Wien zusammen mit Kollegen vom FZ Jülich ein maßgeschneidertes neuronales Netz, das genau für diese Anwendung eine möglichst schnelle Lernkurve hat. Das Resultat wurde im Fachjournal „Physical Review Applied“ publiziert und soll nun in ganz unterschiedlichen Quanten-Experimenten zum Einsatz kommen.

Magnetfelder und Licht

„Um Quantenteilchen zu kontrollieren, verwenden wir eine Kombination aus mehreren elektromagnetischen Feldern“, sagt Maximilian Prüfer, Postdoktorand in der Gruppe von Jörg Schmiedmayer am Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ), Atominstitut, TU Wien. „Durch winzige Strukturen wird elektrischer Strom geschickt, dadurch entsteht ein Magnetfeld. Zusätzlich verwenden wir Lichtstrahlen, die durch Linsen, Spiegel und Filter gezielt manipuliert werden können.“

Ähnlich wie der Strahl eines Beamers, der ein Bild auf eine Leinwand projiziert, ist der Lichtstrahl an manchen Stellen heller und an manchen dunkler. Die Form des Lichtstrahls bestimmt, welche Kräfte die Teilchen an welcher Stelle spüren. Indem man die Intensitätsverteilung des Lichts anpasst, kann man die Teilchen gezielt beeinflussen.

„Prinzipiell gibt es zwei unterschiedliche Methoden, dieses Lichtfeld zu steuern“, erklärt Maximilian Prüfer. „Man kann vorab berechnen, welche Form das Feld haben muss – das gelingt aber nur dann, wenn man alle Details des Experiments, inklusive aller Störeffekte, wirklich ganz genau kennt. Das Ergebnis kann immer nur höchstens so präzise sein, wie das Rechenmodell, das man verwendet.“

Die Alternative dazu sind sogenannte iterative Steuerungsalgorithmen: Sie können das Lichtfeld sukzessive verbessern, indem man nach jedem Änderungsschritt ein neues Experiment durchführt und aus dem Ergebnis abliest, auf welche Weise man im nächsten Schritt das Lichtfeld weiterverbessern muss, um dem Ziel möglichst nahe zu kommen. Ein detailliertes Verständnis der zugrundeliegenden Effekte ist dabei gar nicht nötig.

 „Solche Algorithmen sind im Prinzip nur durch die experimentelle Messgenauigkeit beschränkt. Diese wunderbare Eigenschaft hat jedoch einen Preis: jeder Verbesserungsschritt benötigt einen eigenen Versuch am Experiment.“ erklärt Andreas Deutschmann-Olek, welcher als Postdoktorand im Team von Prof. Andreas Kugi vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik an der Arbeit beteiligt ist. Die notwendigen Messungen solcher Versuchsreihen können Wochen dauern, und eine geringfügige Änderung am gewünschten Lichtfeld bedeutet, dass man von vorne beginnen muss. Durch eine digitale Kopie des Experiments auf Basis aller bisherigen Versuchsdaten könnte die Anzahl der benötigten Messungen jedoch dramatisch reduziert werden.

Ein neuronales Netz, maßgeschneidert für Teilchenphysik

Genau für diese Aufgabe wurde nun künstliche Intelligenz (AI) eingesetzt. „Wichtig war es, unser Wissen über die physikalischen Eigenschaften des Systems zu nutzen, und von vornherein in die künstliche Intelligenz einzubauen“, erklärt Maximilian Prüfer. „Wir haben ein neuronales Netz entwickelt, dessen Struktur genau an die physikalische Aufgabe angepasst ist, die es hier zu lösen gilt. Wir nennen das ein Physik-inspiriertes neuronales Netz. Erst damit war es möglich, bei experimentell handhabbaren Datenmengen hervorragende Prognosen durch das neuronale Netz zu erhalten.“ Das neuronale Netz wurde in enger Zusammenarbeit mit Forschern von FZ Jülich um Tomaso Calarco entwickelt.

Die Strategie war erfolgreich: Mit einer Kamera wird gemessen, wo sich die Teilchen befinden, und mit diesen Bildern wird das neuronale Netz trainiert. Im Lauf der Zeit lernt es dadurch, welche Änderungen am Experiment sich auf welche Weise auf die Quantenteilchen auswirken – und zwar ohne die physikalischen Formeln, die diesen Zusammenhang beschreiben, einprogrammiert zu haben. Die künstliche Intelligenz entwickelt in gewissem Sinn eine Art „Verständnis“ des Systems.

Die künstliche Intelligenz imitiert das Experiment

„Wir konnten zeigen: Die künstliche Intelligenz lernt tatsächlich, das Verhalten des physikalischen Systems korrekt zu imitieren“, sagt Maximilian Prüfer. Somit können die Algorithmen blitzschnell ausprobieren, wie sich verschiedene Änderungen am Experiment in der aktuellen Situation auswirken, ohne dass dafür lange, aufwendige experimentelle Versuchsreihen nötig wären. „Die gesammelte Information aus vergangenen Versuchen wird im neuronalen Netz strukturiert abgelegt und kann so auf neue Situationen übertragen werden“, ergänzt Andreas Deutschmann-Olek.

Wo man früher vielleicht hundert Experimente gebraucht hätte, bis man die richtigen Einstellungen gefunden hat, reicht heute ein kleiner Bruchteil davon. Ähnlich wie ein Mensch vielleicht nur ein paar gezeichnete Linien sehen muss, um zu erkennen, welches Tier hier abgebildet ist, braucht auch die künstliche Intelligenz, wenn sie gut trainiert ist, nur ein relativ geringes Maß an Information, um recht genau zu wissen, wie das Experiment gesteuert werden muss. Nur wenn besonders hohe Präzision benötigt wird oder bei besonders ungewöhnlichen Gegebenheiten muss das „echte“ Experiment anstelle des neuronalen Netzes befragt werden.

Damit kann man nun eine Vielzahl von Experimenten durchführen, die bisher nur mit viel größerem Aufwand oder gar nicht möglich gewesen wären. "Der Einsatz von maschinellem Lernen in der quantenphysikalischen Forschung ist gerade groß im Kommen“, meint Maximilian Prüfer. „Wir hoffen, dass unsere Arbeit auch Einsichten liefert wie ein physikalisches Verständnis zusammen mit den weit entwickelten AI Methoden Experimente verbessern kann.“

Originalpublikation

M. Calzavara et al., Optimizing Optical Potentials With Physics-Inspired Learning Algorithms; Phys. Rev. Applied 19, 044090 (2023).

Rückfragehinweis

Dr. Andreas Deutschmann-Olek
Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 376263
deutschmannacin.tuwien.ac.at

Dr. Maximilian Prüfer
Atominstitut
Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ)
Technische Universität Wien
maximilian.pruefertuwien.ac.at

Teilen

Meilensteine in der Messtechnik

Meilensteine in der Messtechnik

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

im Jahr 1998 wurde messweb ins Leben gerufen – also genau vor 25 Jahren. Und mehr noch: Vor Ihnen liegt nun die bereits 500. Ausgabe des Messtechnik-Newsletters! Das sind nicht nur für uns im Redaktionsteam zwei großartige Jubiläen, sondern auch für die gesamte Branche. messweb hat sich damit zum erfolgreichsten Online-Portal für professionelle Messtechnik entwickelt.

Ohne unsere Leserinnen und Leser wäre das natürlich nicht möglich gewesen. Daher möchten wir uns bei Ihnen für die jahrelange Treue ganz herzlich bedanken. Und unser Versprechen für die Zukunft: Wir werden Sie auch weiterhin mit den neuesten Trends und Neuheiten aus der Messtechnik informativ und fundiert versorgen.

messweb feiert sein 25-jähriges Jubiläum: Im Herbst 2023 erscheint dazu unser großes Sonder-E-Paper, auf das Sie sich bereits heute freuen dürfen.

Bis dahin wünschen wir Ihnen noch viele informative Newsletter

Ihr messweb-Team

Mess- und Testsystem-Software

SonicTC – Mess- und Prüfsoftware für die Produktion und Automatisierung

SonicTC – Mess- und Prüfsoftware für die Produktion und Automatisierung

SonicTC wurde entwickelt, um die Vielzahl von individuellen Mess- und Prüfaufgaben in automatisierten Produktionsprozessen mit verschiedensten Prozesstechnologien in nur einer standardisierten und universellen Softwarelösung abzubilden.

mehr lesen

Berührungslose Temperaturmessung

Quotienten-Pyrometer für industrielle Anwendungen

Quotienten-Pyrometer für industrielle Anwendungen

DIAS Infrared erweitert sein Angebot an Quotienten-Pyrometern. Mit Pyrometern können Temperaturen berührungslos gemessen werden.

mehr lesen
Anzeige

Hygienische Sensoren

Druckmesstechnik im Hygienic Design

Druckmesstechnik im Hygienic Design

Bei der Herstellung von Lebensmitteln stehen vor allem Hygieneanforderungen im Mittelpunkt des Herstellungsprozesses. Dies betrifft auch die Maschinen- und Anlagetechnik und im Besonderen die Sensorik.

mehr lesen

Vibrometer

Prüfexperte werden für berührungsfreie End-of-Line-Tests

Prüfexperte werden für berührungsfreie End-of-Line-Tests

Für den vibroakustischen End-of-Line-Test und allgemein Fertigungskontrollen stellt Polytec mit dem IVS-500 Industrievibrometer ein ausgeklügeltes und flexibel einsetzbares Laser-Messgerät zur Verfügung.

mehr lesen

Hochspannungsmessung

Präzise, schnell, robust: Hochspannungsmessung im EtherCAT-System

Präzise, schnell, robust: Hochspannungsmessung im EtherCAT-System

Die EtherCat-Messtechnikklemmen sind für den Einsatz in der Produktionsindustrie und im Prüffeld ausgelegt. Sie sind die richtige Wahl für analoge Messungen, bei denen es auf höchste Messgenauigkeit ankommt.

mehr lesen
Anzeige

Datenlogger

Neue Datenlogging-Lösungen

Neue Datenlogging-Lösungen

Mit neuen Datenloggern und einer neuen Datenentladestation bietet Ipetronik ein effizientes System für das High-End-Flottenmanagement oder für Flottenprojekte in rauer, robuster Umgebung.

mehr lesen

MSR-Spezialmesse

MSR-Spezialmesse für Prozess- und Fabrikautomation

MSR-Spezialmesse für Prozess- und Fabrikautomation

Nach langer Pause ist die MEORGA mit voll ausgebuchter Halle am 21. Juni 2023 in der Messehalle in Hamburg-Schnelsen wieder am Start.

mehr lesen

GO>>ing

Warum ist Energieeffizienz so wichtig?

Warum ist Energieeffizienz so wichtig?

Durch den Einsatz eines Energiemanagementsystems in Kombination mit einem Energiemesskoffer wird sowohl die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens sichergestellt. Lesen Sie hier mehr…

mehr lesen
Anzeige

Batterietestsysteme

Testen von Li-Ion-Batterien – Die wichtigsten internationalen Normen

Testen von Li-Ion-Batterien – Die wichtigsten internationalen Normen

Beim Test von Li-Ion-Batterien (LIBs) nach Norm stehen Betriebs- und Umweltaspekte wie Spannung, Temperaturen und mechanische Beschädigungen im Fokus. Wir stellen die wichtigsten Normen und Tests vor.

mehr lesen

Stromversorgungen

DC-Ausführungen bis 200 Watt

DC-Ausführungen bis 200 Watt

Meilhaus hat die BK9240-Serie von B+K Precision ins Portfolio aufgenommen.

mehr lesen